Sie werden viel kritisiert und schnell zum Sündenbock. Oft treten sie nur dann in Erscheinung, wenn sie eine Fehlentscheidung treffen. Dabei machen sie wohl in den meisten Fällen weniger Fehler als die Spieler selbst. Die Rede ist von Schiedsrichtern. Anne Panther zählt als einzige Frau in der Basketball-Bundesliga zu den Besten dieser Riege.
Vom Streetball zum Schiedsrichter
Anne, wann hattest du den ersten Kontakt zum Basketball?
Mit 13 Jahren habe ich das erste Mal begonnen, Streetball zu spielen. Angefangen von der German Streetball Tour bis hin zu den Deutschen Meisterschaften habe ich Turniere mitgespielt. Später kam ein Basketballtrainer in unsere Schule und hat dort die Sportart Basketball vorgestellt. Außerdem hat er nach potenziellen Spielerinnen und Spielern Ausschau gehalten. So kam es, dass unter anderem auch ich eine Einladung zu einem Vereinstraining erhielt. Dort ging ich dann mit Mitgliedern meiner Streetball-Mannschaft hin.
Danach hast du also erstmal aktiv gespielt? Wieso und wann bist du dann Schiedsrichterin geworden?
Etwa eineinhalb Jahre später. Ich habe mich dabei an meinen Mannschaftskolleginnen orientiert, von denen hatten bereits zwei Drittel eine Schiedsrichterlizenz. Deshalb habe ich mich relativ schnell dazu entschlossen, ebenfalls eine Lizenz zu machen. Ich habe mir gedacht: Wenn die anderen das können, probiere ich das auch. Also habe ich an einem Wochenende einen Lehrgang besucht und meine Prüfungen abgelegt. Anschließend konnte es losgehen.
Hast du dann parallel zum Pfeifen auch noch selber gespielt?
Ja. Entweder pfiff ich erst ein Spiel und spielte danach selbst oder umgekehrt, oder eben wenn ich frei hatte.
Anne, hast du dich eigentlich schon einmal mit Bibiana Steinhaus verglichen? Schließlich seid ihr beide nun „allein unter Männern“.
Nein. Jedoch habe ich mitbekommen, dass verschiedene Medien diesen Vergleich nutzten. Das war besonders in der Zeit, in der Bibiana noch nicht in der Ersten Fußball-Bundesliga gepfiffen hat. Sie brachten damit zum Ausdruck, dass es bereits in den höchsten Spielklassen anderer Sportarten auch weibliche Schiedsrichter gibt. Allerdings ist dieser Vergleich aus meiner Sicht schwer, da unterschiedliche Sportarten auch unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen.
Musstest du dir schon einmal blöde Kommentare anhören?
Zwar gibt es immer mal einen unüberlegten Kommentar, aber keinen, über den man länger nachdenken müsste.
Hast du als Schiedsrichterin einen Vorteil gegenüber deinen männlichen Kollegen im Umgang mit Spielern und Trainern?
Fragen Sie das am Besten meine Kollegen. Ob es ein Vorteil ist, kann ich nicht sagen. Ich merke nicht, dass mit mir anders als mit meinen männlichen Kollegen umgegangen wird. Vielmehr glaube ich, dass mit einem Schiedsrichter, der weniger Erfahrung hat, anders umgegangen wird.
Basketball als Rollenspiel
Du wirkst inzwischen ziemlich erfahren und abgeklärt auf dem Court. Ist eine Anne Panther vor bestimmten Spielen trotzdem manchmal noch nervös?
Nervös nicht. Aber es gibt bestimmte Spiele, für die man eine besondere Vorfreude empfindet und dementsprechend auch eine andere Grundspannung. Beispielsweise sind dies Pokal- oder Playoff-Spiele. Da arbeiten wir Schiedsrichter genauso wie die Teams darauf hin, dabei sein zu dürfen.
Hattest du in deiner Karriere irgendwelche Förderer oder gab es etwas, das dich besonders auf deinem Weg unterstützt hat?
Unsere Förderer heißen Mentoren. Bei mir war das Uli Sledz. Mit ihm habe ich angefangen zu arbeiten, noch bevor ich in der BBL pfiff. Er ist sehr erfahren und konnte mir deshalb wichtige Ratschläge geben und mich in vielen Situationen begleiten. Zudem tauscht man sich immer wieder mit Kollegen aus und lernt so dazu. Auch Spielleitungen auf internationalem Parkett brachten mir weitere wertvolle Erfahrungen.
Gibt es für euch Schiedsrichter neben Regelschulungen auch spezielle Trainings zu Stresssituationen?
Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Sport- und Polizeipsychologen zusammen. Diese schulen uns, wie wir mit Stress am besten umgehen können beziehungsweise, wie wir etwas kanalisieren, damit überhaupt kein Stress entsteht. Außerdem helfen sie uns, ein besseres Verständnis für die unterschiedlichen Rollen der Beteiligten eines Basketballspiels zu entwickeln. Wenn beispielsweise ein Trainer richtig laut wird, dann richtet sich das nicht gegen mich persönlich. Vielmehr möchte er mich in der Rolle des Schiedsrichters angehen – weil es ein Teil seines Job ist, das Beste für sein Team herauszuholen.
Wenn man dieses Rollenprinzip verstanden hat, lernt man Situationen anders zu bewerten. Je mehr Erfahrung man hat, desto entspannter lernt man auch mit solch kritischen Situationen umzugehen. Beispielsweise wird jeder Schiedsrichter bei seiner ersten Rudelbildung ein riesengroßes Stresspensum haben. Wenn man das hingegen alles schon ein paar Mal mitgemacht hat, hat man im Kopf schon Abläufe gespeichert, die man dann abruft. Zusätzlich sieht man bei anderen Spielen schwierige Situation und bekommt außerdem noch Ratschläge.
Eine schwierige Situation gab es beim Play-off-Spiel 2014 zwischen Ludwigsburg und Bayern. Geht einem solch eine Fehlentscheidung lange nach, wenn das Spiel sogar wiederholt wird?
Wir wissen, dass wir in jedem Spiel Fehler machen. Das perfekte Spiel gibt es nicht. Die Anzahl der Fehler sollte natürlich möglichst gering sein. Wenn jedoch ein so eklatanter Fehler in einer noch relativ jungen Karriere passiert, geht einem das schon noch lange nach. Eine solche Fehlentscheidung ärgert jeden Schiedsrichter ungemein. Letztlich kann man daraus aber auch extrem viel lernen. Wenn man eine solche Situation richtig verarbeitet, wird man dadurch stärker.
Ein BBL-Spiel aus Schiri-Sicht
Wie weit im Voraus wirst du über Ansetzungen in der BBL informiert und wie planst du deine Anreise?
Während der Hauptrunde erfahren wir ungefähr einen Monat vorher unsere Ansetzungen. Ab diesem Zeitpunkt beginnen wir auch mit den Planungen. Wie reisen wir an? Benötigen wir ein Hotel und ein Zugticket oder fliegen wir? Diese Daten geben wir dann in ein Online-Portal ein, so dass sich ein externes Büro der BBL um die Buchung kümmert. Somit entsteht kein Kontakt zwischen den Schiedsrichtern und den Vereinen vor dem Spiel.
Spricht sich die Crew im Vorfeld eines Spiels ab?
Die Crew bespricht sich natürlich im Vorfeld und es werden Details abgesprochen. Es wird zum Beispiel geklärt, wann und wie die Kollegen anreisen. Beispielsweise müssen wir an einem Wochenspieltag mindestens fünf Stunden vor Tip-Off vor Ort sein. Wir scouten auch die Teams, schauen uns die Taktiken und Systeme der vergangenen Spiele an. Genauso wie die Verteidigung oder die Rotation beider Mannschaften. 90 Minuten vor Spielbeginn müssen wir dann in der Halle sein und sprechen die Feinheiten nochmals an. Natürlich tauschen wir auch unsere Erfahrungen untereinander aus und stimmen uns gerade über unsere Kommunikation ab. Dies dauert dann in der Regel 20 Minuten und danach hat jeder noch Zeit für sich.
Nach dem Spiel reflektieren wir unsere Leistung mit unserem Coach, der in vier von fünf Partien dabei ist. Hierbei besprechen wir kritische Szenen – sowohl Pfiffe, aber vor allem auch die no-calls. Ist kein Coach anwesend, schauen wir uns die Situationen trotzdem im Team an. Wenn ich wieder daheim bin, sehe ich mir die Spiele meist in der Wiederholung an und bewerte meine Leistung nochmals. Dabei geht es mir auch um das Auftreten und das Harmonieren als Crew.
Anne, hast du am Spieltag selbst ein spezielles Ritual?
Ich habe mir inzwischen bestimmte Trink- und Essgewohnheiten angeeignet. Zudem beginne ich im Hotel mit bestimmten Aktivierungsübungen. Auch das Warm-up in der Halle folgt einer bestimmten Reihenfolge. Wenn das Licht in der Halle für die Spielervorstellung des Heimteams ausgeht, visualisiere ich noch einmal spezielle Situationen auf dem Court.
Ist es aus deiner Sicht ein Nachteil, dass ihr immer in einer unterschiedlichen Zusammensetzung die Spiele leitet?
Überhaupt nicht. Ich sehe darin auch einen Vorteil. Aktuell sind wir 27 Bundesliga-Schiedsrichter und vier “Potential”, die ebenfalls wohl dosiert Einsätze bekommen. Wir sind eine kleine Gruppe und kennen uns natürlich gut. Da wir immer in unterschiedlichen Konstellationen unterwegs sind, müssen wir uns regelmäßig auf neue Situationen einstellen. Wären wir dauerhaft mit derselben Crew unterwegs, würde das Team sich nicht mehr so viel besprechen, was aber eminent wichtig ist. Denn genau aus diesen Absprachen nimmt man ganz viel mit und lernt stetig dazu.
Und wie ist der Ablauf für ein EuroLeague-Spiel?
Ähnlich zur BBL. Auch hier geben wir vorab unsere Planung in ein Portal. Nach der Bestätigung des Euroleague Offices buche ich meinen Flug. Das Hotel wird vom Office organisiert.
2016 wurdest du als Schiedsrichterin für die EuroLeague nominiert. Hattest du damit gerechnet?
Ich hatte nicht damit gerechnet, obwohl ich hin und wieder darüber nachgedacht habe. Als der Anruf des Schiedsrichter-Verantwortlichen kam, musste ich nicht lange überlegen und habe die Chance genutzt.
Siehst du deine Nominierung für die höchste Spielklasse Europas als Signal, dass auch Frauen im Kreise der Besten bestehen können?
Das hat nichts mit Mann oder Frau zu tun. Die EuroLeague will auch bei den Schiedsrichtern die Besten im Einsatz haben. Sie wollen eine gewisse Qualität. Ich wurde genauso beobachtet wie meine männlichen Kollegen und konnte die Experten mit Leistung überzeugen.
Anne über Olympia
Du warst 2016 in Rio de Janeiro im Einsatz. Wie würdest du den Olympischen Geist beschreiben?
Es war eine außergewöhnliche Atmosphäre. Wer nicht dort war, kann es nur schwer nachvollziehen. Du arbeitest über längere Zeit mit den besten Schiedsrichtern weltweit zusammen. Genauso siehst du die besten Basketballer, die es aktuell gibt. Ich lernte wieder unglaublich viel über mich und konnte sehr viel Erfahrungen mitnehmen. Diese besondere Spannung der Sportler, das Gefühl vor dem eigenen ersten Spiel – dies sind sehr positive Erfahrungen. An einem Tag war ich im Deutschen Haus. Abends werden dort immer die Medaillengewinner des aktuellen Tages geehrt. An diesem Tag waren die Ruderer sehr erfolgreich. Das sind dann schon besondere Momente.
Anne, du warst bei EM, WM und Olympia. Hast du überhaupt noch sportliche Ziele? Eventuell Profi-Schiedsrichter wie Robert Lottermoser?
Ich möchte mich kontinuierlich weiterentwickeln. Gerade in der EuroLeague stehe ich noch am Anfang meiner Karriere. Auch in der Bundesliga durfte ich erst das zweite Jahr in den Finals dabei sein. Profi-Schiedsrichter kann ich mir nur schwer vorstellen, da es in Deutschland kein anerkannter Beruf ist. Es spielen viele Risikofaktoren dabei eine Rolle, beispielsweise die soziale Absicherung für die Zukunft. Was würde im Falle einer Verletzung oder Erkrankung passieren? Das wäre mir persönlich zu heikel.
Wie viele Spesen bekommt ihr für ein BBL- bzw. EuroLeague-Spiel?
In der Bundesliga sind es 575 Euro pro Spiel, in der EuroLeague aktuell 1.300 Euro.
Was machst du momentan hauptberuflich? Und wie schwer ist es, Beruf und Basketball zu verbinden?
Seit Oktober vergangenen Jahres arbeite ich in den Unikliniken Heidelberg im kaufmännischen Bereich. Da ich in Teilzeit arbeite, kann ich viel planen. Aus diesem Grund ist das internationale Business gut machbar.
Spielst du selbst noch aktiv?
Als die Nominierung für Rio kam, beendete ich meine Karriere als Spielerin. Ich hatte keine Zeit mehr, um vernünftig und regelmäßig zu trainieren. Und weil ich eine hohe Erwartungshaltung an mich und meine Mitspieler habe und dieser selbst nicht mehr gerecht werden konnte, war dies ein logischer Entschluss. Zusätzlich war mir die Verletzungsgefahr zu groß – und ich wollte mir die Chance auf Olympia nicht durch irgendeine Dummheit zerstören.
Und wie viel Zeit bleibt Anne Panther am Ende noch für Familie und Freunde?
So viel, wie man sich nimmt. Alles eine Sache der Organisation. Inzwischen ist es durch meine Teilzeitstelle einfacher. Es bleibt genügend Zeit für Familie, Freunde, aber auch für mich selbst. Leider hatte ich das in der Vergangenheit etwas schleifen lassen.
Herzlichen Dank für das interessante Gespräch!
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